Gestern war es nun soweit:
Parkour trifft Parcouring.
Angetrieben von der Debatte, die in diesem Thread stattfand, machte ich mich diesen Samstag auf den Weg zum Karstadt in Köln um den Köln-Stopp der "Asics Parcouring Tour" zu besuchen, mit den Athleten des Teams zu sprechen, und Diskussionen mit der Organisatoren zu führen.
Grundsätzlich erstmal zur Veranstaltung:
Ein kleines Zelt von Asics beinhaltete eine Stereoanlage, jede Menge Schuh-Kartons, Getränke für die Athleten und jede Menge Nachfüllbehälter für Smint-Goodies, wobei Smint und Karstadt-Sport hier als Nebensponsoren auftraten.
Die Hindernisse bestanden aus lackiertem Holz und waren in zwei, als autonome Einheiten, aufgebauten Komplexen aufgeteilt. Jeder Komplex bestand aus verschiedenen Anordnungen von geraden und angeschrägten Hindernissen, Stangen und ähnlichem. Generell machte die Anlage auf den ersten Anschein einen recht soliden Eindruck, wurde aber beim Aufbau nicht von Traceuren betreut, was dazu führte, dass die Dinger beim leichtesten Regen (der sich oft blicken ließ) total rutschig wurden.
Viele Sprünge waren auch nicht wirklich möglich, aber das liegt generell an der eingeschränkten Kreativität an bewegungsorientierten Hindernissen: Sie werden aufgebaut mit dem Gedanken an bestimmte Sprünge, die man dort dann einfach ableisten kann, und gut ist.
Reizvoll war noch die Ladefläche des Pickups, der vermutlich zum Transport diente, denn diese war eben und konnte mit Rollen und dergleichen überquert werden.
Als Athleten waren Andreas Müller (breakerandi, von Dynamic Concepts), Jan (vom "Team Cologne"), Daniel Scherer (von Dynamic Concepts) und Mathias Esser (Parcouring Weltmeister). Zu den Personen sage ich nichts.
Wen ich aber speziell getroffen, ist Alexander Berger. Mitarbeiter von Kultos Entertainment, die unter anderem Splash Diving und Parcouring als Sportartenkonzepte erfunden haben und weiter als Sportarten verbreiten und managen.
Alexander Berger ist innerhalb von Kultos, zusammen mit Julia Dreblow, für die Organisation des "Projekt PARCOURING" zuständig (Quelle: http://www.kultos.de/index.php?id=406).
Er ist mir mit Respekt gegenüber getreten, hat sich trotz seiner Aufsichtsrolle die Zeit genommen mit mir eine lange Diskussion (schätzungsweise mindestens über einer Stunde) zu führen, um die Fronten zwischen Parkour und Parcouring zu klären, Vorurteile aus dem Weg zu schaffen, und generellen Meinungsaustausch zu betreiben.
Ich möchte hier einmal kurz anmerken, dass vermutlich kein Traceur bisher direkten Kontakt zur Management-Ebene von Parcouring hatte, und somit jegliche Meinungen die bisher gebildet wurden auf Vorurteilen, (gewollten Fehl-)Interpretationen, bzw. Informationen von Dritten stammt.
Ich hoffe mal die meisten, die das hier lesen, kennen mich, und wissen, auf welcher Grundlage ich mit Menschen umgehe, wie ich diesen gegenüber trete, und wie es um meine Menschenkenntnis aussieht.
Ich kann euch sagen, dass Alex mir mit Respekt gegenüber getreten ist. Vorurteilsfrei, ehrlich und offen. Ich habe ihn als ehrgeizigen, zielorientierten, sympathischen, intelligenten, nicht-geldgierigen Gesprächspartner kennengelernt und geschätzt.
Wir haben über sehr vieles geredet:
Uns erst einmal gegenseitig vorgestellt, über unseren sportlichen Werdegang, über unsere Erfahrungen und Vorurteile gegenüber Parkour und Parcouring, über unsere Erfahrungen mit öffentlichen Behörden und vieles mehr (auch privates) ausgetauscht, und ich möchte euch hier erst einmal ein paar, von mir ausgesehen definitive, Fakten auf den Tisch legen.
Parcouring, als Name, ist nicht an Parkour angelehnt.
Ich weiß, dass wurde schon mehrere Male behauptet, von verschiedenen Leuten innerhab der Parcouring-Szene und ich hab's selbst nicht geglaubt, aber durch das Gespräch mit Alex und Einblicken in seine Persönlichkeit kann ich diese Aussage als wahr zur Kenntnis nehmen. Gesucht wurde für diese Wettkampfsportart ein Name, der als "Lautmalerei" fungiert, und einem Außenstehenden schon durch den Namen eine Idee von dem ganzen gibt. "Parcours" ist vielen Deutschen ein Begriff, und steht im Duden. Das "-ing" wurde angehängt um sich an andere Sportarten wie "Skiing" und "Swimming" anzulehnen, und internationalen Anklang zu finden.
Der Name ist, so hat die Organisationsführung später gemerkt und eingeräumt, ein "Schnellschuss" gewesen und die Komplikationen mit der existierenden Sportart "Parkour" wurden übergangen / übersehen (nicht absichtlich). Bei der Namenschaffung dieses Projektes war Alex auch nicht selber beteiligt.
Das Ziel von Parcouring ist NICHT Geldmacherei.
Das mache ich an zwei Punkten fest:
1) Parcouring macht nicht genügend Geld um wirklich als Geldmacherei sinnvoll zu sein. Wenn Kultos planen würde große Kasse zu machen, dann gäbe es einfachere, skrupellosere Methoden um dies zu erreichen. Dies würde z.B. Sponsorings mit Nicht-Sportmarken beinhalten.
2) Alex' Persönlichkeit: Er ist selber langjähriger (25 Jahre Leistungsschwimmen) Sportler, und zeigte mir gegenüber in vielen Gesprächsabschnitten mehrere Persönlichkeitszügen, die man von einem Traceur erwarten würde. Ich kenne andere Geldgeile Persönlichkeiten, und muss sagen, dass Alex nicht so auf mich wirkte.
Das Ziel von Parcouring ist eine Verbreitung der Sportart "Hindernisse überqueren".
Ich schreibe hier ganz bewusst Sportart, denn Parcouring ist, ungleich Parkour, nicht an moralisch-philosophische Grundsätze und Charakterzüge gebunden, sondern bezieht sich auf das bloße Überqueren von Hindernissen. "Hindernisse überqueren", bzw. Parcouring, als bloße Sportart bietet Jugendlichen großes Potenzial ihre ohnehin schon vorhandene Umgebung als Sportgerät zu nutzen, ihren eigenen Körper kennenzulernen, wegzukommen von "uncoolen Sportarten" wie Turnen, ein Bekämpfen der steigenden Fettleibigkeit und sinkenden motorischen Fähigkeiten der deutschen Bevölkerungen zu gewährleisten.
Parcouring ist nicht medien-geil.
Ich kann das bewusst nicht an einzelnen Personen festmachen, denn in jeder Szene gibt es Leute die sich vor Kameras groß fühlen. Das kann man Parcouring an sich aber nicht vorhalten. Alex hat aber genauso Probleme das Spagat zwischen guter Sportentwicklung und spektakulärer Berichterstattungen zu schaffen, das wir alle wohl zu genüge kennen. Er selber hat auch schon negative Erfahrungen mit Herren und Damen von Medienanstalten gemacht, und ich denke da können wir ihm mitfühlen.
Die Parcouring-WM ist ein Weg, nicht ein Selbstzweck.
Parcouring per se muss keine Wettkampfsportart sein. Weiterhin kann Parkour auf keiner Grundlage jedem Menschen auf dieser Welt verbieten, sich auf einer moralisch-philosophisch neutralen Plattform im Überqueren von Hindernissen zu messen. Dies geschieht schon seit Jahrzehnten, bevor Parkour überhaupt erfunden wurde, in jeder militärischen Ausbildung und wird auch dort, teilweise, in Wettkämpfen ausgetragen. Dort hat sich noch niemand beschwert.
Weiterhin wurde ein Wettkampf nicht gewählt, um möglichst viele Sponsoren anzuziehen, sondern um das Überqueren von Hindernissen als Sportart an eine breite Masse heranzutragen. Um jedem die Augen zu öffnen: Der, der da über Stangen springt und sich an Mauern hochzieht, trainiert. Er ist kein Einbrecher.
Weltmeister, Teams und dergleichen sind Mittel zum Zweck: Die Leute brauchen Idole, Leute die sie anhimmeln können, brauchen Konkurrenz. So ist die Gesellschaft heutzutage aufgebaut. Überlegt einmal: Denkt ihr Fußball hätte sich so entwickelt, ohne Idole/Popstars wie Ballack, Beckham und Beckenbauer? Sicherlich nicht.
Die einfachste, schnellste und sicherste Methode einen Sport zu verbreiten ist, einen internationalen Wettkampf auszurufen und den über Medieninstitutionen an die Welt heranzutragen. Alex räumte ein, dass dies mit sicherheit nicht die ideologisch reinste Art ist dies zu tun, aber ich musste ihm auch eingestehen, dass mir keine bessere einfiel.
Parcouring bringt Traceuren, die nicht teilnehmen, dennoch Vorteile.
Durch ein erhöhtes Bewusstsein für die artverwandten Sportarten werden Traceure erhöhte Toleranz von Ordnungshütern erfahren, einfacheren Zugang zu sicheren Trainingsumgebungen ermöglicht kriegen, und generell vom Staat eher wahrgenommen werden.
Ein weiterer Vorteil ist das Interesse medizinisch-wissenschaftlicher Institutionen: Es werden durch Wettkämpfe auch Wettkampfstudien angespornt. Wieviel Belastung entsteht bei einem Katzensprung, was tun wir unseren Körpern bei Sprüngen von zwei Metern auf Beton an, erfüllt die Rolle überhaupt einen Zweck? All diese Fragen könnten mit den richtigen Geldern, dem richtigen Equipment, von Institutionen erforscht und beantwortet werden.
Im Grunde wollen Parcouring und Parkour (u.A. ParkourONE) dasselbe Ziel, durch verschiedene Wege, erreichen: Das öffentliche Etablieren einer anerkannten Sportart, bzw. Disziplin / Kunstform, die das Überqueren der Hindernisse in natürlichen/urbanen Lebensräumen beinhaltet, gekoppelt mit einer wachsenden Toleranz gegenüber Ausübenden dieser Sportarten und einer Akzeptanz in der Bevölkerung für diese ungewöhnlichen Fortbewegungsarten.
All diese Fakten, die Gespräche, meine Erfahrungen in der Vergangenheit, meine eigene Stellung im Parkourpolitikgefüge, etc. bringen mich zu einem ernüchternden Ergebnis:
Traceure, bzw. Ausübende von Parkour, denn diese Anschuldigungen decken sich garantiert nicht mit den Grundsätzen von Parkour und entsprechen nicht meinem Bild von einem Traceur, und ich fasse mir da selber an die Nase und beinhalte mich in dieser Aufzählung, neigen zu Schwarzmalerei, absichtlicher Misinterpretation, Intoleranz, mangelndem Respekt und der Unfähigkeit konstruktiver Kritik.
Kleine Beispiele:
Schreiben von Droh- oder Beleidigungsemails, Boykottieren von bestimmten Veranstaltungen bzw. Sportarten (früher Freerunning, jetzt Parcouring), das Abstufen anderer Persönlichkeiten aufgrund von Informationen von Dritten (keine Namen), unreifes Verhalten in Forenbeiträgen, Planung zur akuten Boykottierung, Verhinderung oder Sabotierung der Parcouring-WM und viele andere Kleinigkeiten, die euch sicherlich bewusst sind.
Bei einer so, fast fanatischen, Verteidigung der eigenen Grundsätze denke ich sofort an fanatische Religiongsübungen und "Parkour-Kult" taucht in meinem Kopf wieder auf, "Dropper-Kiddies" werden gnadenlos runtergemacht.
Jetzt kommt der Apell an euch (Traceure und Angehende):
Parcouring ist da, und Parcouring wird bleiben. Es gibt kein "Ich ignoriere es so lange, bis es verschwindet", es gibt kein "Alle Parcouringausübenden sind geldgeile, wettkampf-geile Arschlöcher". Parcouring ist existent, und langsam wird es Zeit dafür es zu akzeptieren.
Ich sage bewusst nicht: Meldet euch zur WM an und werdet Weltmeister, oder was auch immer, aber ich merke selber, dass Boykott zu nichts führt als noch mehr Stress und Ignoranz, auf beiden Seiten.
Deswegen ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, wo ihr loswerden könnt, und sollt, definitiv in einem angemessenen Ton, mit Respekt für den Gegenüber, was euch an Parkour, oder an Parcouring nicht gefällt, und ob ihr Ideen habt, wie man die gemeinsame Entwicklung, die parallele Entwicklung, dieser beiden Sportarten konstruktiv gestalten kann.
Sagt nicht "Der Name Parcouring ist scheiße und das geht nie gut", sondern schlagt einen anderen Namen vor, der genauso lautmalerisch ist. Sagt nicht "Parcouring führt zu Wettkampf und Wettkampf ist scheiße", sondern sagt, wie man einen Wettkampf so gestalten kann, dass er gesund über die Bühne läuft und nicht auf Traceure ausstrahlt, und akzeptiert, dass manche Leute sich gerne messen, unter anderem im Überqueren von Hindernissen. Gebt Ratschläge, anstatt Beleidigungen, und wir schauen, was die Zukunft bringen wird.
Dirk Meyer, 4 Jahre Parkour
ParkourONE Köln
Parkour.de TEAM